Europa Goodbye

Wundersame Geschichten um Tarifa

Bisher hat uns immer das regnerische Wetter weiter getrieben. Doch nun sind wir bereits seit über zwei Wochen hier in der Gegend um Tarifa. Wie schon erwähnt, sind es nur noch 15 km auf dem Wasser, bis man sich auf dem Kontinent Afrika befindet.
Der 1. Advent ist ja schon da. Er leitet oftmals in Deutschland die bevorstehende Winterzeit ein. Hier in Südspanien könnte man meinen, es ist  Sommer. Täglich klettert das Thermometer auf über 20°C. Es ist ein klarer azurblauer Himmel und manchmal ziehen ein paar kleine Schäfchenwolken vorüber. Nicht nur das Wetter hat uns verbleiben lassen, sondern auch die menschlichen Begegnungen hier.

Alle folgenden Geschichten sind reines Hörensagen. Also das, was uns die Leute hier erzählt haben, bei ein oder auch zwei Bierchen in der Kneipe.

Die Gegend um Tarifa ist ein eigentümlicher Landstrich. Der europäische Kontinent endet hier. Schon immer gab es hier Schmuggler und Piraten. Die Straße von Gibraltar ist eine der bedeutendsten Wasserstraßen auf der Welt und es herrscht ein unglaublicher Verkehr auf dem Wasser. Wenige Kilometer von hier befindet sich das Riffgebirge in Marokko. Dort wird Cannabis angebaut. Das ist kein Geheimnis, sondern überall bekannt. Dass man mit Drogen zu Geld kommen kann, ist auch kein Geheimnis. So ist der Drogenschmuggel für viele eine Möglichkeit, um sich etwas dazu zu verdienen.  Den Auswüchsen dessen begegnet man immer wieder. Seien es die Geschichten, die man sich überall erzählt oder die großen von hohen Mauern  umgebenen Beschlagnahmungsparkplätze, auf denen sich Schmuggelautos und Schmuggelboote geradezu türmen. Sieht von weitem aus wie ein Schrottplatz,  nur dass der Krempel, der dort steht, ziemlich neu ist. Wird dann irgendwann versteigert. Sowieso kennt jeder jemanden, der schon mal live dabei war (Knast). Die Arbeitslosigkeit hier ist zum Teil sehr hoch (40 bis 60 %). Schwarzarbeit dagegen ist sehr verbreitet. Immer wieder bekommen viele Beamte ihren Lohn verspätet ausbezahlt, weil einfach kein Geld da ist. Viele Jugendliche haben keine Ausbildungsplätze oder Arbeitsstellen und sind auf der Straße unterwegs, tun nichts oder sind verwickelt in Drogengeschäfte. Es wird nicht schwer bestraft, wenn man mit Drogen erwischt wird. Für uns mag das schwer vorstellbar sein, aber das gehört hier zur Tagesordnung.

Viele allgemeine Regeln werden wenig durchgesetzt. Die Freiheit des Individuums gilt mehr und solange kein großer Schaden entsteht, wird ein Auge zugedrückt. Insgesamt darf man natürlich auch nicht vergessen, dass die Arbeitsmoral der Leute hier mit Sommertemperaturen von bis zu 52°C  bei acht Monaten Sommer nicht die Gleiche sein kann wie in Deutschland. Wer kann bei dieser Hitze noch irgendetwas Sinnvolles zu Wege bringen?

Auf einem Strandparkplatz in Tarifa, auf dem wir über eine Woche gestanden sind, hätte man meinen können, es gibt nur deutsche Urlauber hier in Spanien. Nach ein paar Gesprächen mit den Leuten haben wir erfahren, dass tatsächlich viele hier überwintern. Aber nicht nur das. In der ganzen Gegend wohnen unglaublich viele Deutsche. Sie betreiben eine Kneipe oder schrauben an Autos herum oder bauen für andere Deutsche oder Spanier Häuser. Sie sind hier in Südspanien, weil es einfach schön ist oder auch manchmal, weil sie Deutschland satt haben. Einige sind schon viele Jahre oder Jahrzehnte hier und sind glücklich. Ihre Kinder sind schon erwachsen und keiner will zurück…

Hier gibt es viele starke Winde – den Levante, den Poniente usw. Eine holländische Firma hat deswegen also Grund bei den Bauern gemietet und viele hunderte von diesen riesigen Windgeneratoren aufgestellt. Wenn der Wind weht, weht er so stark, dass die Windräder abgestellt werden müssen, weil sie sonst abbrechen oder kaputt gehen würden. Und die restliche Zeit geht entweder gar kein Wind und die Sonne scheint oder es weht nur eine leichte Brise. Also folglich weniger Stromerzeugung als man den Bauern versprochen hat und somit auch weniger Rendite. Noch dazu kommt, dass die Windräder ohne Genehmigung von der spanischen Regierung gebaut wurden. Jedes Windrad abzubauen, würde jedoch 200.000 bis 400.000 Euro kosten. Die Betreiberfirma bekommt eine Aufforderung zum Abbau der Windräder und geht Pleite. Die Windräder werden an die nächste Firma verkauft, bis die Regierung den nächsten Abbaubaubeschluss zugestellt hat, vergehen zwei bis drei Jahre und die nächste Firma geht Pleite. Und die Windräder sind an die nächste Firma verkauft. Also bleiben diese Dinger einfach stehen und drehen sich oder auch nicht.

In ländlichen Regionen nahe der Küste stehen viele verstreute Häuser und man fragt sich: Ist das ein Dorf…? Diese Häuschen haben weder Stromanschluss noch Abwasser oder schon mal eine Flurbereinigung oder Erschließung des Grundstücks gesehen. Du baust ganz schnell einen Rohbau mit Dach darauf. Danach kann dir hierzulande keiner mehr das Haus abreißen lassen. Denn sobald ein Haus ein Dach hat, darf es stehen bleiben und nach vier Jahren ist der illegale Bau verjährt. Die Grundstücke waren hier vor etwa 20 bis 30 Jahren so günstig zu kaufen, weil die Bauern einfach Geld brauchten. Was sind denn schon 2 bis 3 Euro für einen Quadratmeter Land. So stehen hier oft in einsamen und verlassenen Gegenden ein paar kleine Häuschen herum. Den Strom holen sich diese Menschen von Solarpanelen, kleinen Windrädern oder einem Benzin betriebenen Generator und Wasser gibt es aus dem Brunnen. So ist das Leben hier ganz einfach. Aber die Sonne scheint auch im Dezember und jeder hilft jedem. Es ist mehr ein miteinander. Die Kühe, Hühner, Schafe und Ziegen laufen auf dem freien Feld herum und jeder werkelt so in seinem eigenen Garten oder Haus herum. Die Menschen sind sehr entspannt hier und das Leben geht deutlich langsamer und ruhiger als bei uns in Deutschland. Hier gibt es dann auch die vogelwilden Aussteiger, skurrile Typen, gar nicht so wenig davon Deutsche. Vielen sieht man an, dass eine Rückkehr nach Deutschland keine Option mehr ist.
Es ist hier einfacher, langsamer, ursprünglicher, weg vom Konsum (außer Fernseher, die haben sie alle!!), von der Hektik der Stadt. Es war sehr interessant, das alles gesehen und gespürt zu haben. Wir fühlen uns hier sehr wohl mit den angenehmen Wintertemperaturen. Die Sommerhitze können wir uns im Augenblick gar nicht vorstellen.

Vielen Dank EUROPA für alles, was du uns geschenkt hast, für die menschlichen Begegnungen und die bereitwillige Hilfe, die wir bekommen haben.
Heute (1. Dezember 2011) fahren wir nach Afrika. Es ist alles erledigt und wir haben Lust auf neue Gerüche, neue Begegnungen und weitere Abenteuer.

 

5 Kommentare zu Europa Goodbye

  1. Stefanie sagt:

    Wow, wow, wow!
    Ganz gespannt lese ich immer eure Reiseberichte und bin schwer beeindruckt von euren Erlebnissen und euren Bildern! Ich wünsch euch unvergesslich schöne Eindrücke, Düfte, Geräusche und Erlebnisse in Afrika!!!
    Ganz liebe Grüße (auch ein bisschen adventliche :-),
    Stefanie

  2. Gitte sagt:

    Vielen Dank für eure super Berichte. Ich habe ehrlich gesagt schon sehnsüchtigst darauf gewartet! Eine wunderschöne Zeit auf einem wunderschönen Kontinent wünscht euch Gitte.

  3. Mathias Noell sagt:

    …da bin ich ganz versunken und sehe, schmecke, rieche, höre und spüre einen Bruchteil Eurer wundervollen Reise… habt Dank für Eure Eindrücke, ich bin weiterhin gespannt, mit lieben Grüßen aus dem noch nicht verschneiten Regensburg, Mathias

  4. Maya sagt:

    Hallo Ihr zwei,
    war schön Euch zu treffen und bei Renate ein kühles Cruzcampo zu zischen und zu ratschen. Kommt mal wieder in Chiclana vorbei wenn Ihr in Spanien seid!!!!!!!!!!!!
    Hat uns an die gute alte Zeit erinnert als wir noch viel mit dem Wohnmobil unterwegs waren. Habt viel Spaß auf Eurer Reise!
    viele Grüße
    Maya

  5. Godi Stoll sagt:

    Hi nochmal,
    wie gesagt, zwischen den Tagen habe ich Zeit eure Homepage zu studieren…………..wirklich wunderschön!! Sowohl die Bilder, als auch die Berichte.

    Macht weiter so und nehmt alles mit!!!!!!!!!!!!!!!!!

    Bis demnächst, Godi

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